Grundlagenwissen

Fokussieren

 
 

 

“Wie gelingt es, sich voll und ganz auf einen Task zu konzentrieren – oder sich sogar gezielt in den Zustand des Flows oder des Hyperfokus zu versetzen?”

 

Fokussiert sein

‘Fokussiert sein’ bedeutet, dass wir unsere Aufmerksamkeit willentlich gebündelt auf einen einzigen Gedankengang, eine einzige Wahrnehmung oder eine einzige Tätigkeit richten, – und nicht gleichzeitig auf mehrere. Das lässt sich mit dem Lichtkegel eines Scheinwerfers im Theatervergleichen, der einzelne Schauspieler:innen beleuchtet, statt den ganzen Saal zu erhellen:

 
 


Abgelenkt sein

Wenn der Inhalt interessant ist, auf den wir unsere Aufmerksamkeit richten, so fällt es uns oft leicht, den Fokus über längere Zeit aufrechtzuerhalten: Wir bleiben ‘konzentriert’, also auf den Mittelpunkt hin ausgerichtet. Doch wenn der Inhalt wenig interessant ist oder aktuell nicht wichtig bzw. das Aufschieben nicht “bedrohlich“, dann bedeutet dies eine geistige Anstrengung, und die Konzentration lässt mit der Zeit nach.

Besteht zudem ein innerer Widerstand gegen die aktuelle Aufgabe (z. B. wenn sie von aussen diktiert wird), so sucht sich unser Geist gerne einen spannenderen oder persönlich wichtigeren Inhalt. Wir lieben Ablenkungen! Diese Lust auf Ablenkung und auf Neues (novelty seeking) darf aber nicht nur negativ interpretiert werden. Evolutionär lässt sich darin auch der Sinn sehen, die Umgebung immer nach Gefahren einerseits und Chancen andererseits zu scannen: Wir wollen sowohl ein Raubtier im Gebüsch als auch Beeren an einem Strauch wahrnehmen.

Problematisch wird es, wenn die Ablenkung zu gross ist: Wenn z. B. alle unsere Gedankengänge wiederholt unterbrochen werden, können wir nicht klar denken. Oder wenn alle unsere Tätigkeiten wiederholt unterbrochen werden, können wir nicht effizient arbeiten. Auch ist es wichtig, dass wir in der Lage sind zu entscheiden, worauf wir unseren Fokus richten; dass wir den ‘Lichtkegel unserer Aufmerksamkeit’ gezielt steuern können. – Wir sind, worauf wir uns konzentrieren!

Wir benötigen also die Fähigkeit zu fokussieren, um klarer denken und effizienter arbeiten zu können. Dabei geht es nicht um eine weitere Effizienzsteigerung und Selbstoptimierung. Es geht nicht darum, dass wir tagsüber keine Ruhezeiten und keine ineffizienten Momente haben sollen. Sondern es geht darum, dass wir arbeiten, wenn wir arbeiten – und ruhen, wenn wir ruhen. Beides gewinnt dadurch an Qualität, unser Handeln als auch unser Ruhen.


Multitasking

Wenn wir mehrere Gedanken oder Tätigkeiten gleichzeitig zulassen, dann sieht der Lichtkegel unserer Aufmerksamkeit so aus:

 
 

Dies entspricht dem “berühmten“ Multitasking – und funktioniert eben nicht; das haben zahlreiche neuropsychologische Untersuchungen gezeigt. Zumindest funktioniert es nicht, wenn für die verschiedenen Inhalte eine bewusste Bearbeitung nötig ist.

Nur bei Gewohnheiten ist Multitasking möglich. Wir können z. B. die Küche putzen, dabei herumgehen und dennoch ein inhaltlich wichtiges Gespräch führen:

 
 


Und noch eine weitere Situation gibt es, in welcher gleichzeitig auf zwei Inhalte fokussiert werden kann: gleichzeitig auf eine Aufgabe und auf die Absicht, mit welcher wir die Aufgabe erfüllen. Das heisst, wenn wir “im Auge behalten“, was wir mit einer konkreten Tätigkeit übergeordnet erreichen wollen.

 
 


Komplexe Aufgaben

Eine komplexe Aufgabe kann aber nur gut bearbeitet werden, wenn sie die einzige im Lichtkegel ist:

 
 


Zwei komplexe Aufgaben können nicht gleichzeitig bearbeitet werden: Es überlastet die Aufmerksamkeitssysteme. Das führt nicht nur zu schlechten Ergebnissen, sondern auch zu einer ungenügenden Abspeicherung des Getanen und Erlebten. In der Folge können wir uns nur schlecht erinnern.

 
 


Flow und Hyperfokus

Die meisten von uns kennen das Erlebnis sehr produktiver Arbeitstage: Man vergisst die Zeit und lässt sich kaum ablenken bzw. kehrt nach Ablenkungen mühelos wieder zur Aufgabe zurück. Gleichzeitig ist man am Abend weniger erschöpft als an Tagen mit weniger Fokus und weniger erledigten Aufgaben.

Für diesen mentalen Zustand führte der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi den Begriff ‘Flow’ ein: die völlige Vertiefung und das restlose Aufgehen in einer Tätigkeit. Typischerweise wird er erreicht, wenn die Aufgabe nicht langweilig aber auch nicht überfordernd ist.

Und im Zusammenhang mit ADHS ist oft vom Hyperfokus die Rede: Ein Zustand, bei dem es ADHS-Betroffenen gelingen kann, höchst fokussiert einer Tätigkeit nachzugehen und vollkommen in sie einzutauchen. Der Lichtkegel der Aufmerksamkeit ist dann von einem Task vollständig ausgefüllt:

 
 


Bewährte Hilfen

Wie gelingt es, sich voll und ganz auf einen Task zu konzentrieren – oder sich sogar gezielt in den Zustand des Flows oder des Hyperfokus zu versetzen? Was kann uns helfen, öfter und gezielter den Lichtkegel unserer Aufmerksamkeit zu vergrössern bzw. mit nur einer Aufgabe auszufüllen?

Einfach ist es nicht; insbesondere nicht in einer Welt voller Ablenkungen durch ständige News und Posts auf allen Kanälen, sowie durch Nachrichten und Anfragen, die alle beantwortet werden wollen. Doch bewährte Hilfen sind z. B.:

  • gezielte Strategien zur Reduktion von Ablenkungen

  • die bewusste Planung mit jeweils nur einer komplexen Aufgabe zur gleichen Zeit

  • Methoden wie die Meditation

  • Tiefe und langsame Bauchatmung (siehe TrainBrain-Seite www.trainbrain.ch/tiefe-langsame-bauchatmung)