Tiefe und langsame Bauchatmung

Durch tiefes und langsames Atmen verbessert sich das Wohlbefinden, die Entspannung und die Konzentration

 
 

 

Stress durch äussere Belastungen führt über die Aktivierung des Sympathikus (‘Fight-or-flight’) zu einer schnellen Atmung und damit häufig zu einer ‘Überatmung’ mit zahlreichen weiteren Symptomen wie ‘Wattekopf’, Konzentrationsproblemen, Herzklopfen und dem Gefühl von Atemnot. Letztere führt wiederum zu einer schnelleren Atmung, womit ein Teufelskreis entsteht. Durch eine günstige und bewusste Atmung kann dem gegengesteuert werden.


Die Mechanik der Atmung

Beim Einatmen dehnt sich die Lunge aus, so dass Luft einströmen kann. Beim Ausatmen zieht sie sich wieder zusammen und die Luft strömt wieder aus. Für die Ausdehnung der Lunge haben wir zwei mechanische Systeme: das Zwerchfell und die Atemhilfsmuskulatur (Schulter- und Brustmuskulatur). Zieht sich das Zwerchfell zusammen, so senkt es sich, die Bauchdecke wölbt sich nach aussen und die Lunge kann sich nach unten ausdehnen. Aktivieren wir die Atemhilfsmuskulatur, so hebt sich der Brustkorb und dehnt er sich aus.

Die Bauchatmung kann man gut bei Kleinkindern und bei Schlafenden beobachten. Bei Anstrengung aktivieren auch Kleinkinder zusätzlich die Atemhilfsmuskulatur, was man am Heben des Bruskorbs erkenne kann. Beim ‘gestressten’ Atmen wird meist v.a. die Atemhilfsmuskulatur aktiviert, was zwar zu einer schnellen, jedoch oberflächlichen Atmung führt.


Nutzen der tiefen Bauchatmung

Häufig hört man den Ratschlag “Atme tief durch!”, um sich zu beruhigen, zu entspannen oder auch, um Schmerzen auszuhalten. Das tiefe Einatmen fühlt sich entspannend und beruhigend an. Wird dann aber schnell und seufzend ausgeatmet, so wird – zumindest bei wiederholtem tiefem Atmen – das Gegenteil von Beruhigung erreicht. Es wird nämlich wieder überatmet, da das Atemvolumen relativ zum abzuatmenden CO2 viel zu gross ist.

Wichtig ist deshalb, dass die Ausatmung auch langsam erfolgt, also “low and slow”. Eine tiefe und rhythmische Atmung mit genügend langer Ausatmung kann durch das Singen von Liedern oder Rezitieren in vorgegebenen Rhythmen erreicht werden. Darin dürfte der Grund liegen, dass solche Techniken kulturübergreifend bei Meditation und Kontemplation seit Jahrtausenden zum Einsatz kommen (z.B. das Beten des Rosenkranzes oder Aufsagen von Mantren wie “om mani padme hum”). Auch können Körperübungen eingesetzt werden, um den Atemrhythmus zu steuern. Die bekanntesten Formen sind Qigong und Pranayama, die Atemschule des Hatha-Yoga. Auch Apnoe-Taucher bedienen sich verschiedener Atemtechniken, um entspannt und länger ohne einen Atemzug unter Wasser bleiben zu können.

Bei all diesen Atemübungen wird das Zwerchfell aktiviert, was eine tiefere Atmung ermöglicht. Die ganze Lunge dehnt sich aus und ein besserer Gasaustausch ist möglich. Entsprechend sind weniger Atemzüge pro Minute nötig, womit der Energieverbrauch geringer ist. Die Bauchatmung hat verschiedene weitere günstige mechanische Effekte. Durch den Unterdruck im Bauchraum sinkt auch der Druck vor dem Herzen, was den venösen Rückstrom des Blutes begünstigt. Durch die mechanische Massage des Darmes wird die Verdauung gefördert. 

Die tiefe Bauchatmung mit ca. 6 Atemzügen pro Minute hilft auch, die Regelkreise Herzrate (Puls; Herzschläge pro Minute), Blutdruck und Atmung zu synchronisieren. Dabei wird die Aktivität des Parasympathikus erhöht, das Herz schlägt langsamer, der Blutdruck sinkt, Sympathikus und Parasympathikus kommen ins Gleichgewicht. Dies geht einher mit dem Gefühl von Entspannung, Leichtigkeit, Freude und positiver Energie.

 
 


Durchführung 

  • Setzen oder legen Sie sich bequem hin. Achten Sie darauf, dass Ihre Kleidung nicht zu eng anliegt, damit Brust und Bauch nicht eingeengt werden.

  • Legen Sie beide Hände auf den Bauch, so dass sich Spitzen den Mittelfinger auf Höhe des Bauchnabels knapp nicht berühren. Die Augen können Sie offen oder geschlossen halten, wie es Ihnen lieber ist.

  • Lassen Sie nun beim Einatmen die Luft in den Bauch fliessen. Der Bauch wölbt sich nach vorne, die Hände bewegen sich leicht voneinander weg.

  • Wenn Sie ganz eingeatmet haben, lassen sie los und atmen sie aus. Der Bauch bewegt sich wieder zurück und die Hände wieder aufeinander zu.

  • Beginnen Sie mit dem nächsten Einatmen erst, wenn Sie das Bedürfnis dazu verspüren.


Wenn Sie erst wieder einatmen, wenn Sie das Bedürfnis dazu verspüren, dann wird das Einatmen automatisch schneller sein als das Ausatmen. Um dies zu erreichen, können Sie auch beim Einatmen langsam auf 4 und beim Ausatmen langsam auf 6 zählen. So dauert ein Atemzyklus ca. 10 Sekunden und sie atmen ca. 6 mal pro Minute. Das Zählen kann am Anfang helfen, ein Gefühlt dafür zu entwickeln, welche Frequenz günstig ist. Das Zählen kann aber auch ablenken bzw. das Atmen «verkrampft» werden lassen, so dass Sie im Zweifelsfalle lieber mehr als 6 mal pro Minute atmen. Zu Beginn ist es hilfreich, die Hände auf den Bauch zu legen. Die Hände können aber auch locker neben einem liegen oder beim Sitzen auf den Oberschenkeln ruhen oder natürlich auch einer Medikationstradition entsprechend positioniert werden.


Häufigkeit und Anwendung 

Nimmt man für solche Übungen zu viel vor, so werden sie leicht wieder zu einem ‘Muss’, sind negativ besetzt und man lässt wieder davon ab. Macht man Atemübungen eine Minute alle paar Wochen, so werden sie kaum einen Nutzen haben. Das richtige Mass ist schwierig zu finden und letztendlich auch individuell. Wir schlagen deshalb vor, zunächst während zwei Wochen je dreimal (z.B. je einmal am Wochenende, Dienstag und Donnerstag) während 5 Minuten zu üben, z.B. vor dem Einschlafen.

Die tiefe Bauchatmung kann auch im Alltag geübt werden. Sei es beim Sitzen in einem Wartezimmer, vor dem Rotlicht im Auto, im Zug, beim Fernsehen oder auch beim Verrichten von körperlich nicht anstrengenden Tätigkeiten wie dem Kochen üben. Dabei ist nicht auf die Anzahl Atemzüge zu achten, da es vielleicht mehr als 6 pro Minute braucht.

 

 

▸ Ist die tiefe Bauchatmung verinnerlicht, so können Sie sie in Stresssituationen abrufen:

・wenn Sie in einem Gespräch oder in einer Prüfung ein Angstgefühl spüren
・wenn Sie sich beim Lesen nicht konzentrieren können, weil sie innerlich nervös sind
・wenn Sie keine Ruhe finden und nicht einschlafen können

… dann beginnen Sie tief und langsam zu atmen.